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Immobilienfinanzierung

Die Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Beendigung der Immobilienfinanzierung

Aspekte der Immobilienfinanzierung

von Rechtsanwältin Faye Lauer

Manchmal machen es neue Lebensumstände notwendig, dass eine Immobilienfinanzierung vorzeitig beendet werden soll. Dieser Fall kann teuer werden, denn die Bank wird dann einen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 1 BGB (bei Verträgen ab 21.03.2016) geltend machen. Bei älteren Verträgen der Immobilienfinanzierung gilt grundsätzlich das Gleiche wie unten aufgeführt. Es ist aber bei Darlehensverträgen im Einzelfall zu prüfen, welche gesetzliche Regelungen bei Abschluss des Vertrages galten. Im Einzelfall können die unten genannten Rechtsfolgen abweichen.

1. Wann kann eine Immobilienfinanzierung vorzeitig beendet werden?

Nach § 500 Abs. 2 S. 2 BGB kann der Darlehensnehmer eine Immobilienfinanzierung mit Zinsbindung „nur dann ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht“. Ein berechtigtes Interesse ist gegeben, wenn bei dem Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach Verwertung der zur Sicherung der Immobilienfinanzierung beliehenen Immobilie besteht. Dies ist bei Verkauf oder Versteigerung der Immobilie der Fall, unabhängig vom Grund, aber auch bei einer Finanzierungsmöglichkeit eines höheren Darlehens durch ein anderes Bankinstitut.     

2. Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung bei der Immobilienfinanzierung?

Bei einer Immobilienfinanzierung mit Sollzinsbindung ist die Vorfälligkeitsentschädigung in § 502 BGB geregelt. Der Bank steht „eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden“ zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zur Immobilienfinanzierung ist durch den Darlehensnehmer der Zinsverschlechterungsschaden auszugleichen.

3. Wie berechnet sich eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Der Schaden der Bank bei vorzeitiger Rückzahlung der Immobilienfinanzierung kann nach der Rechtsprechung des BGH entweder nach der Aktiv-Aktiv-Methode oder der Aktiv-Passiv-Methode berechnet werden.

Bei der Aktiv-Aktiv-Methode wird der Berechnung zugrunde gelegt, dass die Bank das zurückerlangte Geld als neues Darlehen ausgibt. Es wird der sogenannte Refinanzierungsschaden ermittelt.

Bei der Aktiv-Passiv-Methode geht man für die Berechnung des Schadens davon aus, dass die Bank das erhaltene Geld wieder sicher auf dem Geld- und Kapitalmarkt anlegt. Der Schaden beziffert sich dann aus der Differenz zwischen dem vereinbarten Darlehenszins und der bei Anlage des Betrages zu erreichende Rendite.  

Sollte die Bank sich im Darlehensvertrag auf eine Berechnungsmethode festgelegt haben, ist die Vorfälligkeitsentschädigung nach dieser zu ermitteln.

Sondertilgungsrechte sind bei der Berechnung zu berücksichtigen. Die Bank darf dies nach der BGH-Rechtsprechung in ihren AGBs nicht ausschließen. Entsprechende Klauseln sind unwirksam (Urteil vom 19.01.2016, XI ZR 388/14).

Diese Vorgaben des BGH gelten nur im Falle der oben genannten vorzeitigen Rückzahlung bei berechtigtem Interesse des Darlehensnehmers.

4. Wann darf die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung im Rahmen der Immobilienfinanzierung verlangen?

502 Abs. 2 BGB regelt, dass die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen kann, wenn die Immobilienfinanzierung mit einer Versicherung zur Tilgung des Darlehens abgesichert wurde und die Rückzahlung aus dieser erfolgt.

Weiter hat die Bank im Rahmen der Immobilienfinanzierung keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung, wenn „im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind“.

Hinzu kommt bei Immobiliendarlehen mit Sollzinsbindung die Möglichkeit des gesetzlichen Sonderkündigungsrechtes nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB „in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten“. Wird das Darlehen nach 10 Jahren gekündigt, darf die Bank im Rahmen der Immobilienfinanzierung keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.

5. Wann kann man sich gegen die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung wehren?

Im vorhergehenden Absatz wurden bereits drei Situationen genannt, in denen die Bank bei vorzeitiger Beendigung der Immobilienfinanzierung keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf.

Insbesondere die in § 502 Abs. 2 BGB genannten „Angaben im Vertrag“ beschäftigen die Rechtsprechung. Eine wichtige Entscheidung erging zum Beispiel am 01.07.2020 durch das OLG Frankfurt a.M., in der die von der dortigen Bank verwendeten Regelungen als zu kompliziert für den Verbraucher eingestuft wurden. Diese Regelung wurden über Jahre in vielen Immobilienfinanzierungen verwendet.

Hinzu kommt die Möglichkeit, dass die Immobilienfinanzierung widerrufen werden kann. Ob diese Möglichkeit gegeben ist, richtet sich danach, wann der konkrete Darlehensvertrag geschlossen wurde.

Bei Darlehensverträgen, die zwischen dem 01.09.2002 und dem 10.06.2010 geschlossen wurden, besteht ein Widerrufrecht nur noch, wenn gar keine Widerrufsbelehrung erfolgte.

Bei Verträgen, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 geschlossen wurden, besteht ein sogenanntes „ewiges Widerrufsrecht“, wenn die im Darlehensvertrag enthaltene „Widerrufsinformation“ fehlerhaft war.

Immobilienkredite, die nach dem 21.03.2016 geschlossen wurden, sind nur noch innerhalb von 1 Jahr und 14 Tagen nach Vertragsschluss widerrufbar, wenn die Widerrufsinformation Fehler enthielt. Hier könnten aber die bereits oben angesprochenen Fehler bei den „Angaben im Vertrag“ vorliegen.

6. Fazit

Sollte die Bank aufgrund vorzeitiger Rückzahlung einer Immobilienfinanzierung mit Sollzinsbindung eine Vorfälligkeitsentschädigung berechnet haben, ist es ratsam anwaltlich prüfen zu lassen, ob die Vorfälligkeitsentschädigung zulässig ist und/oder richtig berechnet wurde. Nicht selten kann sich der Verbraucher gegen die Vorfälligkeitsentschädigung an sich oder gegen deren Höhe erfolgreich wehren.

Bei weiteren rechtlichen Fragen zur Immobilienfinanzierung wenden Sie sich gerne an Rechtsanwältin Faye Lauer bei Dr. Wagner Immobilienrecht